Helgoland - Die einzige deutsche Hochseeinsel, ca 70 km vom Festland entfernt ist jedem Birder ein Begriff. Zum einen der artenreichste Ort in Deutschland mit über 400 nachgewiesenen Vogelarten - zum anderen fast schon ein Sehnsuchtsort für Birder und Vogelfotografen, gerade in Zeiten des Vogelzuges im Frühjahr und Herbst.
Anreise
02.10.2018 - 07.10.2018
Von Franken aus gleicht es beinahe einer kleinen Weltreise nach Helgoland zu kommen, vor allem, wenn man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist. Der ICE von Erlangen nach Hamburg. Anschließend eine Übernachtung in der Hansestadt, um am nächsten Tag den Schnell-Katamaran "Harlunder Jet" zu erwischen. Plötzlich die Nachricht: "Der Jet fällt witterungsbedingt aus!". Hmm, hat wohl Wellen?
Also umdisponieren. In aller Früh von Hamburg mit dem Zug weiter nach Cuxhaven, zum Schiff "MS Helgoland". Planmäßige Abfahrt
hier 10.15 Uhr. Also schnell, schnell, ja das Schiff erwischen. Auch hier: Planänderung: Abfahrt 12 Uhr, witterungsbedingt. Was wohl alle haben? Ja, es hat ein bisschen Wind und ein bisschen Wellen. Schwimmen würde ich wohl nicht gehen - aber so ein Schiff muss das doch können?
Ich glaube letztendlich ist das begrenzeden Element der Mensch - bzw. der Fahrgast - die Landratte. Weil Otto-Normal-Landratte wohl schon die Reling aufsucht um mit Neptun zu sprechen sobald die Wellen höher sind als in der Badewanne wird hier verstärkt darauf geachtet.
Naja, rauf aufs Schiff, Kaffee in der "Sansibar" auf dem Achterdeck geholt und dann raus in die Sonne, auf die Abfahrt warten.
Das man sich ab und an von der unfreundlichen Schiffsbesatzung in Ihren Käptn' Iglo - Phantasieoutfits anschreien lassen muss gehört wohl zum friesischen Charme - hier ist man wohl etwas "unterkühlt" - sagt man.
Als Birder findet man leicht Anschluss - einfach zu den anderen "Verrückten" mit Ferngläsern um den Hals stellen und mit Fachsimpeln. Nachdem die Abfahrt wiederholt verschoben wurde, jetzt auf 13 Uhr hatte man viel Zeit, schon mal zu schauen, was hier im Hafenbecken so fliegt.
Nebenden Lachmöwen, Sturmmöwen, Silber- und Mantelmöwen und Limikolen wie Steinwälzern konnte man am Himmel ständig ein hohes "ist ist ist" hören - es müssen massiv viele Wiesenpieper überfliegen!
Was meine "Birder-Archillesferse", den Mangel an Seeschwalben auf meiner Lifelist angeht, sollte ich hier schon recht bald mit dem ersten Lifer belohnt werden: im Hafenbecken von Cuxhaven waren einige wenige Küstenseeschwalben unterwegs - spät im Jahr. Als ausgeprägter Zugvogel ist der Langstreckenzieher größtenteils schon auf dem Weg in die Antarktis. Dabei legt er auf seiner Route von den arktischen Brutgebieten in die antarktischen Überwinterungsgebiete fast 18.000 km zurück!
Kurz darauf bereits der nächste Lifer, immernoch vom Deck des Schiffes im Hafen beobachtet: ein kleiner Greifvogel kommt schnell vom Meer Richtung Land geflogen. Silhouette eines Falken - jedoch wesentlich kleiner. Klar, es muss ein Merlin sein. Lifer Nr. 2 an diesem Tag - und man war noch gar nicht unterwegs. Nett! Leider flog er von Schiff weg gegen das helle Sonnenlicht - somit ist nicht mehr drin als ein recht dürftiges "Belegfoto".
Kaum war der Merlin durch kam von der anderen Seite des Hafenbeckens ein Sperber angeflogen und sorgte für Aufregung unter allen anwesenden Vögeln.
13 Uhr, Abfahrt, endlich! Wobei mit den Vögeln lief es nicht schlecht bis jetzt. Auch die nächste Beobachtung bescherte den nächsten Deutschland-Lifer: direkt am Ausgang des Hafenbeckens Richtung Meer tauchte plötzlich zwischen den Wellenkämmen ein sehr großer, dunkler Vogel auf. Er schwamm auf der Meeresoberfläche und verschwand immer wieder im Wellental zwischen zwei Wellen. Jedes Mal, als Ihn eine Welle anhob versuchte ich das Maximum aus meinem 600 mm Objektiv raus zu holen. Auf den Bildern wurde es aber deutlich: großer Schnabel, hellere braune Oberseite, dunklere braune Unterseite, dazwischen ein kleiner, heller Fleck: es musste sich um einen Skua handeln! Leider hat es hier auch nur zu einem mittelprächtigen "Belegfoto" gereicht - im Reisebericht zu Island gibt es bessere Bilder!
Die zweieinhalb Stunden währen der Überfahrt habe ich tapfer auf dem "Sonnendeck" des Schiffes ausgehalten verbracht. Wobe der Begriff "Sonnendeck" nur auf die Hälfte der Überfahrt zutraf, die andere Stunde war es eher ein Regen-, Wind- und Sturmdeck. Allerdings war die Aussicht andere pelagische Vögel (d.h. Vögel, die den Großteil Ihres Lebens auf hoher See verbringen) zu sehen zu verheißungsvoll. So waren Wellenläufer oder verschiedene Sturmtaucher durchaus möglich.
Und tatsächlich, in einiger Entfernung tauchte ein Eissturmvogel auf und hob auch gleich zum arttypischen "surfen" über die Wellenkämme ab. Wie sich bei Ankuft auf Helgoland herausstellen solle war das leider der einzige Hochseevogel. Zur Brutzeit durchaus häufig auf den Helgoländer Klippen vertreten war er jetzt, außerhalb des Burtgeschehens schon eine kleine Ausnahme.
Aber wenigstens wurde ich bereits bei der Einfahrt in den Hafen von Helgoland mit dem nächsten Merlin des Tages belohnt, der wieder über dem Hafenbecken kreuzte.
angekommen
Kurz der Gang ins Hotel "Hochseeinsel", welches für die nächsten paar Tage meine Unterkunft werden sollte - mit hervorragendem Frühstück und freundlichem Personal, wie sich rausstellen sollte, um mein Reisegepäck los zu werden und um sich bereit für das große "Birden" zu machen.
Was sehr bald auffiel war die Präsenz von Massen an Wiesenpiepern. Während diese auf dem Festland noch durch vereinzelte "Ist ist ist..." Rufe aufgefallen sind waren sie hier überall in großen Zahlen vertreten. Kaum ein Stück Rasenfläche oder Vorgarten, der nicht mit mindestens einigen Wiesenpiepern bevölkert war. Ab und zu gesellten sich auch Bergfinken dazu - nicht in solch großen Zahlen - aber doch erwähnenswert.
Als erstes natürlich der Gang zum "Oberland". Helgoland ist in drei Bereiche gegliedert: Unterland, Mittelland und Oberland. Während das Unterland den Bereich des Hafens, des Süd- und (Nord-)Oststrandes, also alles unterhalb des "Falms" beschreibt, ist das Mittelland "nur" ein Plateau dazwischen, das zwar sehr klein jedoch sehr Strukturreich bewachsen ist. Man könnte fast sagen, die einzigen waldähnlichen Strukturen auf Helgoland finden sich hier.
Das Oberland ist dann der gesamte "obere" Teil der Insel mit Funkturm, Leuchtturm und das gesamte Hochplateau, begrenzt von teils dramatischen Klippen samt der "Langen Anna".
Die Klippen bieten zur Brutzeit Vögeln wie Gryllteiste, Trottellumme, Dreizehenmöwe, Eisstrumvogel und Basstölpel ausreichend Brutflächen. Im Oktober ist das Brutgeschäft aber weitestgehend abgeschlossen und die Felsen kaum noch bevölkert. Lediglich einige wenige Basstölpel halten sich noch dort auf. Hier und da ist noch ein junges Küken zu sehen - schwarz mit weißen Punkten statt reinweiß, wie die adulten Tiere.
Dabei ist es eigentlich erschreckend zu sehen, wie die Nester der Tölpel mittlerweile aufgebaut sind: verwendet der Basstölpel regulär Seetang, um seine Gelege auszupolstern, welches im Flug von der Meeresoberfläche aufgesammelt wird ist es in der Zwischenzeit so, dass es schwierig ist noch ein Nest zu finden, welches nicht primär aus Fetzen von Fischernetzen besteht. Mit dem großen Unterschied, dass Seetang mit der Zeit trocknet und brüchig wird - während der Kunststoff der Fischernetze für die Ewigkeit gebaut ist und auch bei Zug nicht nachgibt.
Was leider zur Folge hat, dass man auf den Klippen auch immer wieder Gelege sieht, in denen sich die Jungen verheddert haben und qualvoll verendet sind. Und Abhilfe ist hier leider nicht in Sicht. Der Vogelschutzverband "Verein Jordsand" hat das Problem auch auf seiner Website thematisiert.
vögel ticken im jahre 2018
Wie ich vor Reiseantritt erfahren habe gibt es eine Whatsapp-Gruppe "Helgoland". Befreundete Birder gaben mir eine Kontaktnummer. Diese Nummer muss man anschreiben und wird dadurch in die Gruppe aufgenommen. Innerhalb dieser Gruppe (mittlerweile sind es durch das Teilnehmermaximum zwei, plus "Offtopic"-Gruppe) sind bis zu 250 Birder vertreten. Natürlich sind nicht alle gleichzeitig auf der Insel - jedoch ist man auf diese Art und Weise miteinander vernetzt. So kann jeder Teilnehmer seine akutelle Sichtung live allen anderen Mitgleidern mitteilen und somit zum "Birding-Erfolg" verhelfen. Man kommt auch relativ bald in das Abkürzungs-Kauderwelsch rein und kann (jedenfalls die meisten) Nachrichten richtig deuten:
- "...GBLS hinterm AWI"
bedeutet dann im Klartext: "Gelbbrauen-Laubsänger hinter dem Alfred-Wegener-Institut". Wie ich finde ist das eine sehr große Hilfe - aber hier dürften die Meinungen auseinander gehen.
Bereits nach kurzer Zeit erwies sich der Bereich um den "Kringel" als äußerst lohnend, was Vögel angeht. Hier mündet die Hafenmole in die Insel, die Felsen steigen erst noch sanft an und es sind sowohl Büsche und Strächer als auch brach liegende Flächen mit niedrigem Bewuchs vorhanden. Diese große Abwechslung der Landschaft auf engstem Raum wird von vielen Vögeln gerne angenommen. So konnten an dieser Stelle unter anderem Wiesenpieper, Berghänflinge, Bergfinken, Bach- und Gebirgsstelzen, Schwarzkehlchen, Turmfalken, Steinschmätzer und Ohrenlerchen beobachtet werden.
Hier kam auch der erste "Mega-Tick" für mich - und der nächste Lifer: plötzlich kam über die Whatsapp Gruppe die Meldung, dass eine Spornammer nahe der Kläranlage gesichtet worden ist. Also nur wenige hundert Meter von meinem Standpunkt.
Durch die große Anzahl der anwesenden Birder ist es dann oft zum Glück auch ein Leichtes, die Vögel zu finden: einfach da hin gehen, wo viele Objektive und Spektive hin deuten. So auch bei der Spornammer: auf dem Weg zum gemeldeten Standort kamen uns schon einige Fotografen entgegen.
"Moin, Spornammer noch da?"
"Ja, da hinten, auf Höhe des Hubschrauber-Landeplatzes."
Auf Helgoland hilft man sich eben noch weiter! Somit sind wir quasi in Teamarbeit über die Fläche gelaufen, auf der die Ammer vermutet wurde, Richtung Hubschrauber-Landeplatz. Plötzlich flog ein kleiner Singvogel auf und landete wenige Meter weiter hinten wieder. Langsam näherten wir uns der Stelle an und konnten schon bald den Erfolg verbuchen: da saß sie, die Spornammer. Sie ließ sich auch beim Fressen nicht stören und ließ uns wenige Meter an sie ran treten. So konnten sehr gute Fotos entstehen. Genug für den ersten Tag - doch auch in den Abend- und Nachtstunden ging das Birden weiter: Nachts konnte man, wenn man in den Himmel lauschte ständig den Ruf ziehender Drosseln, allen voran Rotdrosseln. vernehmen.
es rappelt in der liferkiste
Nicht schlecht, nicht schlecht. Erst zwei Tage auf der Insel und schon vier Lifer. Auch mit Arten, mit denen man gar nicht gerechnet hat, wie z.B. der Spornammer. Nett, so darf es weiter gehen. Der kommende Tag begann mit dem festen Vorhaben, endlich den Gelbbrauen-Laubsänger zu ticken. Schließlich waren einige auf der Insel gemeldet. Also noch vor dem Frühstück schnell zur "Treppe", welche das Unter- mit dem Oberland verbindet und wo der kleine Laubsänger zuletzt gemeldet worden ist. Und ja, check, schon bald die ersten feinen "Tsoeet"-Rufe zu hören.
Getickt, nächste Lifer in der Tasche! Nach einiger Wartezeit ließ er sich auch blicken, vergesellschaftet mit ein paar Wintergoldhähnchen. Und es war mindestens ein zweiter Anwesend. Während meiner Reisezeit waren ständig gut ein Duzend Gelbbrauen-Laubsänger auf der Insel anwesend, nimmt man die zahlreichen Meldungen der Whatsapp Gruppe als Grundlage.
Problem an dem "wuseligen" Vogel: er hüpft aufgeregt von Ast zu Ast und verweilt sehr, sehr selten an Ort und Stelle - was das fotografieren sehr schwierig macht. So gibt es zwei Bilder vom "GBLS", eines mit Prädikat "OK" und ein sehr gutes - mit einem erheblichen Schönheitsmakel.
Seht selbst:
So durfte der Tag weiter gehen. Der Lifer des Tages in der Tasche, alles was kommen sollte war nur noch Kür. Also zurück zum Hotel, sich am ausgiebigen Frühstücksbuffet sättigen. Mit dem Blick aus dem Frühstücksraum direkt Richtung Südstrand ist mir direkt aufgefallen, dass immer wieder eine große Anzahl an Menschen stehen bleibt und vom Weg den darunter liegenden Strand fotografiert. Jedoch war zu diesem Zeitpunkt der Hunger größer als die Neugierde. Da jedoch andere Gäste aus meinem Hotel ebenfalls wissen wollten, was dort vor geht und die Kunde von draussen mitbrachten war schon bald klar: ein Heuler (junger Seehund) lag am Strand.
Dieses Verhalten ist völlig normal und kein Grund zur Beunruhigung: die Mütter "parken" Ihre Jungen oft am Strand und gehen auf die Jagd. Später werden die Jungtiere wieder an Ort und Stelle abgeholt. Dem kleinen war der Trubel egal, er ließ sich bei seinem Schläfchen in der Sonne kaum stören.
Zwei neue Meldungen kamen über die Whatsapp Gruppe rein und passten Zeitlich sehr gut zu meinem langsam sich einstellenden Sättigungsgefühl: am Nordoststrand waren eine Zitronenstelze und ein Waldpieper gemeldet!
Auf dem Weg dahin kam man an einigen Stellen vorbei, an denen sich Ohrenlerchen sehr gut beobachten ließen. Diese saßen in Bereichen mit niedirger bis keiner Vegetation wie Wegen, Schutthalden und Stränden in großen Gruppen von mehr als 30 Vögeln.
Dem Ruf der Whatsapp Gruppe folgend also auf zum Nordoststrand. Den oder die Vögel zu finden, auf die wir aus waren war nicht das Problem: Wie oben beschrieben sucht man die Menschenmenge mit Spektiven und Objektiven auf und fragt sich dann durch. Gesagt - getan. Am Strand angekommen bezog ich in einer Reihe mit anderen Birdern Stellung und wartete. Gleich zwei potentielle Lifer waren an diesem Ort gemeldet: Zitronenstelze und Waldpieper.
Nach gar nicht so langer Zeit dann gleich der erste Erfolg: in einer größeren Gruppe Bachstelzen stach ein Vogel besonders heraus: während die jungen Bachstelzen einen leicht gelblichen Kopf haben und immer eine Brustzeichnung aufweisen war diese Stelze komplett einfarbig grau auf der Brust, jegliche Zeichnung fehlte komplett. Da war sie also, die Zitronenstelze. Es handelte sich wohl um einen Jungvogel im 1. KJ - denn von dem leuchtenden Gelb des Prachtkleides war nichts zu erkennen.
Der zweite Vogel war nur einen Schwenk mit dem Spektiv entfernt: circa 90 ° weiter links, wo der Strand in die Dünen überging war eine große Gruppe an Wiesenpiepern zugange. Nach einiger Beobachtungszeit stach ein Vogel deutlich hervor: viel grüner auf dem Rücken als die sonst grau-grünen Wiesenpieper, mit einer durchaus kräftigeren Strichelung auf der Brust und den Flanken und vor allem mit einem kleinen weißen und schwarzen Fleck auf den Ohrendecken: da war er, der zweite Lifer in 5 Minuten: der Waldpieper!
Und während wir 25-30 Birder da standen und die zwei Raritäten von der Mole aus beobachteten kam jemand auf die glorreiche Idee, sich mal nach hinten Richtung Meer umzudrehen. Mit einem "Schau mal da" wurde die Gruppe auf den Seetaucher hingewiesen, der wenige Meter hinter uns aufgetaucht ist. Plötzlich drehte sich die "Meute" um und nahm den jungen Seetaucher ins Visier. Es handelte sich um einen jungen Sterntaucher.
woher kommen die vögel?
Ein bisschen Background-Wissen: eigentlich liegt Helgoland weitab jeglicher Zugrouten. Die wenigsten Vögel fliegen auf ihrem Zug direkt übers Wasser, die Meinsten versuchen sogar, das Wasser (Meere und Ozeane) zu meiden. So sind wichtige "Flugkorridore" auf der Nord-Süd Route für viele Vögel z.B. die Straße von Gibraltar, der Bosporus oder der Weg über Italien und Malta.
Nur liegt Helgoland nirgends innerhalb dieser Zugrouten. Woher kommen also all die viele Vögel auf Helgoland?
Scheinbar ist es so, dass manche Vögel oder Vogelgruppen in Ihrem Zug fehlgeleitet oder vom Wind "verblasen" werden - und somit quasi "falsch abbiegen" und aufs offene Meer fliegen. Zwar können Vögel ernorme Strecken in der Luft überwinden - kurze Zwischenstopps werden aber dankend in Anspruch genommen. So entdecken viele dieser "Falschabbieger" auf Ihrem Flug in die falsche Richtung diesen kleinen Felsen in der Nordsee mit dem Namen Helgoland und lassen sich hier zur Rast ab. Das nutzen wir "Birder" aus.
Wo diese Erklärung bei z.B. skandinavischen, nord-süd-ziehenden Vöglen wie z.B. Ohrenlerchen, Wiesenpiepern oder Seeschwalben durchaus Sinn macht ist sie für z.b. sibirische Vögel, die in Südostasien den Winter verbringen - den Waldpieper als Beispiel - sehr erstaunlich. Da muss schon viel schief laufen, dass solche Vögel auf Helgoland ankommen. Und trotzdem passiert es immer wieder.
Und: Helgoland ist scheibar auch nicht die Sackgasse für ziehende Vögel. Auf der Insel gibt es eine Beringungsstation. Hier werden Vögel aller Art gefangen und mit Ringen versehen. Dadurch, dass die Ringe ab und zu wieder gefunden und abgelesen werden können weiß man, dass die Vögel trotzdem Ihren Weg in die Überwinterungsgebiete oder zurück schaffen. Da ist ein Mal "sich verfliegen" scheinbar überhaupt nicht weiter schlimm.
ausflug zur düne
Wer sagt denn, dass man mit einem Teleobjektiv auch keine Landschaftsfotos machen kann? Jedenfalls ist der Blick vom "Oberland" Richtung Düne ziemlich atemberaubend. Man blickt quasi die Straße zwischen den Häusern herunter, die Straße fällt leicht ab und ist schließlich dramatisch zu Ende - anschließend eröffnet sich der Blick aufs Meer und am Horizont taucht die "Düne" auf. Jene Sandinsel, die früher mit der Hauptinsel verbunden war. Nach mehreren Sturmfluten riss diese Verbindung ab und eine neue Insel war entstanden. Heute kann diese "Harle" mit einer kleinen Fähre in kaum 5 Minuten überwunden werden, alle 30 Minuten kann man zur Düne und zurück.
Auf dem Weg vom Oberland zum Anleger konnten wir uns quasi im Vogbeigehen noch einen weiteren Lifer abholen: seit einiger Zeit hielt sich dort eine Kurzschnabelgans auf, die wir liebend gerne mit auf die Liste aufnahmen.
Auf der Düne, die tatsächlich gänzlich aus angeschwemmten Sand besteht gibt es eine Seehundkolonie. Zu den "gewöhnlichen" Seehunden, wie der englische Name "common" impliziert gesellen sich seit ein paar Jahren die weitaus größeren Kegelrobben - hauptsächlich, seit der Umwelt- und Naturschutz im Bereich der Nordsee deutlich angezogen hat und diese vom Aussterben bedrohte Art unter strengen Schutz gestellt worden ist.
Ebenfalls können dort neben den Seehunden auch viele Vogelarten beobachtet werden, darunter natürlich viele Limikolen, die typisch für Strände sind. So tummeln sich dort Steinwälzer, Sanderlinge, Sandregenpfeifer, Goldregenpfeifer und Alpenstrandläufer. Außerdem sind Austernfischer häufig, dazwischen immer mal wieder auch Pfuhlschnepfen. Gelegentlich findet sich zwischen den Alpis auch ein Sichelstrandläufer und sogar Meerstrandläufer können gesichtet werden.
Stellt man Alpenstrand- und Sichelstrandläufer in den direkten Vergleich neben einander ist es fast schon seltsam, dass die Unterscheidung im Feld oft so schwer fällt. Dabei sind die Merkmale wie Schnabelform und -länge und das Fehlen jeglicher dunklen Zeichnung auf dem Bauch doch sehr eindeutig:
Plötzlich große Aufregung unter allen Raben- und Nebelkrähen auf der Düne. Ein großer Greifvogel kommt über die Düne angeschossen. Sofort steigen die Krähen auf und fangen an, den Vogel zu "mobben". Obwohl ihre Versuche, den Greif weg zu scheuchen eher ignoriert werden, wird es dem Bussard irgendwann zu bunt und er dreht Richtung Hauptinsel ab.
Parallel dazu kommen die Nachrichten in der Whatsapp-Gruppe an: ein Raufussbussard auf der Düne. Jetzt überfliegt er die Harle. Jetzt Raufussbussard an der Hauptinsel, Unterland ... und so weiter. Auf diese Weise konnte man fast den kompletten Flugweg des Bussardes verfolgen.
Übrigens schon wieder ein Lifer! Zwar sind bei uns im Süden im Winter doch immer mal wieder Raufussbussarde anwesend - dieser hier war aber das erste eindeutig bestimmte Exemplar.
Nach einer kleinen Stärkung im Dünen-Cafe war es an der Zeit, langsam den Heimweg anzutreten. So ein bisschen hatten wir noch die Hoffnung, noch einen weiteren Lifer "raus zu ziehen". Vor einigen Tagen wurde ein Rotkehlpieper von der Düne gemeldet.
Doch bis es so weit sein sollte erst mal eine lange Durststrecke. Keinerlei Schneeammern, auf die wir gehofft haben, nur wenige Bergfinken und Bluthänflinge. Ab und an mal ein größerer Tupp Ohrenlerchen und natürlich die scheinbar allgegenwärtigen Wiesenpieper. Natürlich war es sinnvoll, jeden Pieper zu checken, nicht, dass sich unter den unscheinbaren Vögeln doch die eine oder andere Rarität versteckt. Aber die Aufgabe wurde schnell zermürbend, da die Massen an Wiesenpiepern kaum zu überschauen waren. Bei den ersten 5, 10 , 20 ist man noch gewissenhaft beim Blick durchs Fernglas. Bei den weiteren 100 eher nicht mehr - man fängt an sich zu überlegen, ob der Blick durchs Fernglas noch wirklich lohnt. Naja, ein letztes Mal vielleicht noch. Ein Pieper sitzt etwas auffällig abseits der großen Trupps in am Strand aufgestellten Binsen. Beim prüfenden Blick durchs Fernglas sah er sehr auffällig auf - durchs Spektiv war es sicher: Da ist er, der Rotkehlpieper! Und das nach ettlichen "Fehlversuchen", kurz vor der Resignation. Glück gehabt, wieder ein Lifer!
Na also, geht doch! Und bei all der Euphorie über den Pieper mit der auffälligen roten Kehle nahmen wir das Braunkehlchen auch noch mit, das oben in den Binsen saß. Da in der Nebensaison ab 19 Uhr die Fähre nur noch Stündlich verkehrt und wir die um 7 verpasst haben, hatten wir noch etwas Zeit, uns am Anleger zu erholen und zu warten. Dabei haben wir versucht alle Kormorane am Anleger zu checken, ob nicht noch eine Krähenscharbe dazwischen sitzt. Leider war dem nicht der Fall - also nutze ich die restliche Wartezeit, um nächtliche Aufnahmen der Insel zu machen - aus der Perspektive sieht man Helgoland im dunkeln selten.
der letzte tag
Der letzte Tag begann so sonnig und wunderschön wie der Vorherige aufgehört hat. So war es bei meiner Morgenrunde vor dem Frühstück noch sonnig und klar. Ohne neue Vögel ging es um 9 Uhr zum Frühstück - und zeitgleich zog ein Küstennebel auf, der sich gewaschen hatte! Innerhalb kürzester Zeit betrug die Sichtweite teilweise weniger als 50 m. Äußerst suboptimales Birdingwetter. Aber man konnte die Zeit nutzen um Postkarten zu schreiben oder zollfrei einzukaufen. Man war ja aus Birdingsicht zum Nichtstun verdammt.
Nach einiger Zeit war man des Warten überdrüssig - zwei neue Lifer mussten her, dann wäre die "magische" 300er - Grenze geknackt. Also wurde trotzdem Kamera eingepackt, Fernglas umgehängt und Spektiv geschultern und los, auf in den Nebel.
Leider stellte sich im weiteren Tagesverlauf heraus, dass sich das Wetter nicht bessern sollte. Überall zogen dicke, weiße Nebelschwaden und verdeckten den Blick auf alles, was interessant hätte sein können. Ab und an gab es mal einen klareren Abschnitt, der jedoch schnell wieder dem "White-out" wich. Nicht einmal die Sumpfohreule, welche in den letzten Tagen immer und immer wieder über den Bereich des Hafens geflogen ist ließ sich an diesem trostlosen Tag blicken.
Somit wurde der neblige Tag dazu genutzt noch etwas spazieren zu gehen. Dabei haben wir es auch geschafft, den höchsten Punkt im Kreis Pinneberg zu erklimmen. Dieser - samit Gipfelkreuz und Gipfelbuch - befindet sich auf Helgoland und schlägt mit 61,3 m üNN ins Gewicht. Was für eine heroische Tat!
Ansonsten war dieser Tag tatsächlich sehr, sehr trostlos. Mit aufziehen des Nebels schienen alle Vögel verschwunden zu sein. Beim Gang durch den Kurpark im Unterland konnten wir kurz den Ruf einer Sperbergrasmücke wahrnehmen. Das war schon das Highlight des Tages, selbst zwei Schwarzkehlchen und ein Eissturmvogel draussen auf dem Meer wurden nur noch unter "ferner liefen" verbucht.
So konnte es nichts werden mit den 300 Vogelarten. Wäre auch zu schön geworden, nachdem es die Tage davor so "gekracht" hat. Naja, der nächste Helgoland Besuch kommt sicher!
Der Heimweg am Morgen wurde mit dem Flugzeug von der Düne aus angetreten. Das ist auch die einzige Möglichkeit, an einem Tag von Helgoland mit den öffentlichen Verkehrsmitteln noch in den Süden der Republik zu kommen. Abflug Düne Helgoland 8.55 Uhr, Ankunft in Büsum um 9.15 Uhr - von da aus über Hamburg mit der Bahn nach Hause, um gegen 19 Uhr Daheim zu sein. Was für eine Weltreise.
artenliste der vier tage helgoland
1 | Alpenstrandläufer |
2 | Austernfischer |
3 | Bachstelze |
4 | Basstölpel |
5 | Bergfink |
6 | Berghänfling |
7 | Blaumeise |
8 | Bluthänfling (Hänfling) |
9 | Braunkehlchen |
10 | Eiderente |
11 | Eissturmvogel |
12 | Elster |
13 | Feldlerche |
14 | Fitis |
15 | Gartenrotschwanz |
16 | Gebirgsstelze (Bergstelze) |
17 | Gelbbrauen-Laubsänger |
18 | Goldregenpfeifer |
19 | Graureiher |
20 | Haubentaucher |
21 | Heringsmöwe |
22 | Kernbeißer |
23 | Klappergrasmücke |
24 | Kohlmeise |
25 | Kurzschnabelgans |
26 | Küstenseeschwalbe |
27 | Mantelmöwe |
28 | Meerstrandläufer |
29 | Mehlschwalbe |
30 | Merlin |
31 | Mönchsgrasmücke |
32 | Ohrenlerche |
33 | Pfeifente |
34 | Pfuhlschnepfe |
35 | Raben-_x_Nebelkrähe |
36 | Rauchschwalbe |
37 | Raufußbussard |
38 | Rohrammer |
39 | Rotdrossel |
40 | Rotkehlchen |
41 | Rotkehlpieper |
42 | Sanderling |
43 | Sandregenpfeifer |
44 | Schwarzkehlchen |
45 | Sichelstrandläufer |
46 | Silbermöwe |
47 | Singdrossel |
48 | Skua |
49 | Sperber |
50 | Sperbergrasmücke |
51 | Spornammer |
52 | Steinschmätzer |
53 | Steinwälzer |
54 | Sterntaucher |
55 | Strandpieper |
56 | Sturmmöwe |
57 | Sumpfohreule |
58 | Teichhuhn |
59 | Trauerente |
60 | Trauerschnäpper |
61 | Trottellumme |
62 | Turmfalke |
63 | Wacholderdrossel |
64 | Waldpieper |
65 | Wasserralle |
66 | Wiesenpieper |
67 | Wintergoldhähnchen |
68 | Zaunkönig |
69 | Zilpzalp |
70 | Zitronenstelze |
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Thomas Griesohn-Pflieger (Montag, 10 Juni 2019 17:06)
Sehr schöne Fotos, die Reise hat sich ja gelohnt. Könnte die Skua eine Schmarotzerraubmöwe sein?