Kaum zu glauben wie sich die Vegetation und vor allem auch die Avifauna ändert,
sobald man Bayern und Süddeutschland verlässt. Das "südwestdeutsche Mittelgebirge" läuft sanft aus und man erreicht knapp hinter der Elbe das "nordostdeutsche Tiefland".
Dadurch, dass viele Landstriche deutlich spärlicher besiedelt sind als im Westen der Republik und viele dieser Landstriche weder landwirtschaftlich noch industriell genutzt werden (-manchmal auch noch Überbleibsel aus DDR-Zeiten), liegen diese brach und "verwildern".
Was für das deutsche Auge "unaufgeräumt" wirkt ist für die Natur ein großer Gewinn, da sie sich hier weitgehen ungestört entfalten kann.
Man wechselt nicht nur Weißwurst gegen Spreewaldgurke und Leberkäs gegen Würzfleisch - mach wechselt auch Berglaubsänger und Mauerläufer gegen Sperbergrasmücke, Ortolan, Großtarppe, Wiedehopf und und und...
Neben den tollen, weitläufigen und zum Teil wild (brach) liegenden Landschaften und freundlichen Menschen lohnt sich also ein Ausflug nach "drüben" allemal!
Drei Hauptgebiete lagen in unserem Fokus, alle nah bei einander in Brandenburg gelegen. Die Belziger Landschaftswiesen, die Döberitzer Heide und die Rietzer Seen.
Belziger landschaftswiesen
Die Belziger Landschaftswiesen sind eine weitläufige, weit ausgedehnte Niederungslandschaft die fast komplett Waldfrei ist. Sie sind als Naturschutzgebiet ausgewiesen und eine der drei verbliebenen Refugien der Großtarppe (Otis tarda) in Deutschland. Allerdings lassen sich neben dem "Preußischen Strauß", wie die Trappe auch genannt wird allerhand andere tolle Offenflächenarten beobachen. Von Freienthal kommend gibt es eine tolle Beobachtungshütte, die unser erster "Spot" war.
Den Wecker auf 6.30 Uhr gestellt (der frühe Vogel! ) erreichten wir nach kurzem Frühstück hochmotiviert im Morgengrauen unseren ersten Spot, den Aussichtsturm. Man verlässt die befestigte Straße und biegt in einen Feldweg, der mit der Zeit immer abenteuerlicher wird. Man muss schon etwas Mut aufbringen, sein Auto über diese unbefestigten Pisten zu "prügeln". Nach einiger Zeit erreicht man eine kleine Brücke über das Flüsschen Plane, die auch die Wiesen abgrenzt. Noch nicht mal am Beobachtungstrum angekommen war man erst mal tatsächlich leicht überfordert mit alle den (Vogel-) Eindrücken.
Von überall her hört man schon den Gesang des ostdeutschen Pendant zur Goldammer: der Gesang der Grauammer erklingt von jeder höheren Singwarte. Neben den Grauammern gesellen sich in das morgentliche Konzert die im westen sehr selten gewordenen Braunkehlchen. Man hört Kuckucke rufen, Gelbspötter singen, aus dem Unterholz im Bachlauf ertönt hier und da ein Zaunkönig. Aus den Bäumen hallt ein Pirol seinen exotischen Ruf, aus der Wiese hört man einen Feldschwirl zirpen.
Über all dem und quasi von Überall der raue Ruf der Dorngrasmücke und des Neuntöters.
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass wir den Turm noch gar nicht betreten haben. All diese Arten innerhalb der ersten 15 Minuten "im Vorbeigehen" - nicht schlecht!
Am Turm angekommen muss man erst mal die schwere Holztür aufstemmen und sich die Treppe langsam nach oben tasten - da wir die ersten Besucher an diesem Tag waren und oben noch alle Sichtluken
geschlossen waren, war es noch zappenduster. Über der Tür hängt ein Schleiereulenkasten - leider konnten wir diesen nicht einsehen ob er besetzt war oder nicht.
Auf dem "Aussichtsniveau" des Turmes angekommen erst mal eine, zwei Luken geöffnet um Licht rein zu lassen und uns einen Überblick über die Landschaftswiesen zu verschaffen. Die im Turm brütenden Rauchschwalben hats gefreut - endlich konnten sie wieder ausfliegen.
Auch für Greifvögel eine durchaus lohnende Gegend, so waren Rohrweihen,Rotmilan, Mäusebussard und Turmfalke zu sehen, während über den Wiesen ständig Feldlerchen hin- und her flogen.
Es sah alles danach aus, dass es doch ein schöner, sonniger Tag werden sollte - aber leider war der frühe Morgen noch sehr diesig. Die (Fern-)Sicht war nicht die Allerbeste, schon gar nicht durchs Spektiv. Jetzt war es Zeit, die weitere Umgebung nach der "Schlüsselart" dieser Gegend abzusuchen, der Großtrappe. Und tatsächlich, duch eine Öffnung zwischen zwei Bäumen konnten wir ein Männchen ausmachen. Sehr, sehr weit entfernt, mehrere Kilometer. Man konnte leider überhaupt keine Details erkennen, lediglich, dass es sich wohl um eine Trappe handel musste.
Also beschlossen wir zurück zum Auto zu gehen und eine weitere Stelle aufzusuchen, durch die man die Landschaftswiesen einsehen kann. Zu Hilfe kam uns hier Christoph Monings Buch "Vögel beobachten in Ostdeutschland" .
Und tatsächlich, zurück zur Sandpiste, einige km Richtung Norden bis zu einer kleinen Brücke und der Weg wurde belohnt.
Wir bauten das Spektiv auf der Brücke auf und sahen eine Gruppe von sechs Vögeln - jedoch wieder ca 1 km entfernt. Trotzdem waren hier schon Details wie Gefiederfärbung und die schiere Größe gut
zu erkennen. Nach einiger Beobachtungszeit, die immer wieder mit Rufen von Grauammern und Baumpiepern unterlegt war wurde die Trappengruppe nervös und beschloss
aufzufliegen. Auch ein herrliches Schauspiel, diese riesigen, majestätischen Vögel (mit bis zu 15 kg die schwersten flugfähigen Vögel der Welt) an uns vorbeiziehen zu sehen!
Alles in allem war es bis hier in ein sehr erfolgreicher Vormittag. Wir beschlossen der Sandpiste weiter nach Norden zu folgen in der Hoffnung, dass sie weiterhin mit einem PKW befahrbar bleibt und dass wir wieder irgendwann auf die Hauptstraße treffen würden. Laut Google Maps wären es nur ein paar wenige km.
Jedoch wurde der Untergrund nicht unbedingt besser und es begann schon langsam unangenehm abenteuerlich zu werden. An einem Rapsfeld angekommen dann plötzlich der Ruf eines Wendehalses nicht allzu weit entfernt. Unerwartet, aber schön!
Und was sind das hier für Vögel, die über den Raps fliegen? Beim genaueren hinsehen tatsächlich ein weiteres Highlight: Ortolane!
Und dann auch noch ein Brutpaar, Männchen und Weibchen im besten Fotolicht. Diese Gelegenheit musste genutzt werden, so ist dieses schöne Bild entstanden:
Döberitzer Heide
Die Döberitzer Heide ist ein bis 1991 intensiv genutzer Truppenübungsplatz. Birder wissen, dass Truppenübungsplätze wahre Kleinode in der Natur sind, da für die Bevölkerung lange Zeit unzugänglich und somit sich selber überlassen. Hier hatte die Natur oft Zeit, sich ungestört zu entwickeln und viele Arten genug Rückzugsraum zu bieten.
Nördlich von Potsdam und westlich von Berlin gelegen fast schon erstaunlich, dass sich hier so viele Arten niedergelassen haben. Mittlerweile wird die Fläche von der Heinz Sielmann- Stiftung verwaltet und unter anderen mit Przewalski-Urwildpferden beweidet. Letzteres sicherlich ein Hinweis darauf, dass viele Flächen der Heidefläche durch die militärische Nutzung munitionsbelastet sind - dadurch ist auch ein strenges Wegegebot gegeben - was viele bodenbrütende Vögel mit Sicherheit freut!
Den nächsten Tag verbrachten wir also in der Döberitzer Heide, die zu dieser Jahreszeit in vollster Ginster-Blüte stand und die gesamte Heidefläche in ein gelbes Blütenmeer verwandelt hat. Eine der Schlüsselarten, die wir uns hier "ticken" wollten war mit Sicherheit der Wiedehopf.
Während dieser Vogel mit seiner auffälligen Färbung und Kopfhaube in Resten Deutschlands eine absolute Rarität geworden ist, ist er hier in Teilen Ostdeutschlands doch noch relativ regelmäßig anzutreffen.
Während wir am Parkplatz von den allgegenwärtig scheinenden Neuntötern erstaunt waren lag unser Fokus doch sehr auf dem Wiedehopf. Und tatsächlich, während wir den Marsch vom Parkplatz gen Heide antraten und noch von einem Kleinspecht überrascht wurden konnten wir plötzlich den gesuchten (und erhofften) Ruf vernehmen: "Huup huup huup"! Zu diesem Zeitpunkt noch etwas weit weg - aber wir waren zuversichtlich, unser Ziel zu erreichen.
Die erste Art, die unsere Aufmerksamkeit erweckte waren die vielen Schwarzkehlchen und hier besonders die Männchen im schönsten Burtkleid und am Singen ihrer Balzgesänge.
Nach einem längeren Spaziergang über die Heidefläche, der mit Rufen und Gastspielen von Kolkraben, Pirolen, Nebelkrähen, Gold- und Grauammern und Kuckucken belohnt worden ist entdeckten wir weit oben am Himmel zwei Seeadler in der Thermik kreisen.
Mit Sicherheit Besucher der naheliegenden Mecklenburgischen Seenplatte und eine willkommene Überraschung. Immernoch war kein Wiedehopf auszumachen, also begaben wir uns langsam auf den Rückweg und Richtung der Verwaltungs- und Wirtschaftsbauten der Heinz-Sielmann Stiftung. Hier werden auch Ziegen und Esel gehalten, zwischen den Häusern und Ställen konnte man gut Rauchschwalben, Girlitze, Haus- und Gartenrotschwänze beobachten. Auch eine Familie von Heidelerchen konnte hier aus nächster Nähe beim Füttern der schon flüggen Jungvögel beobachtet werden. Am meisten erfreut haben uns allerdings die Steinschmätzer, die hier - und mit Gewissheit auch entgegen dem Bundesdeutschen Trend - häufig sind und in typisch gestreckter Pose auf Steinhaufen und anderen Sitzwarten beobachtet werden konnten.
Neben den Verwaltungsbauten gab es einen kleinen Obsthain - eigentlich der perfekte Lebensraum für Wiedehöpfe - und plötzlich BINGO! Da ist er! Auf dem Boden zwischen den Bäumen nach Nahrung suchen. Mit diesen tollen Bildern hat sich der Tag mehr als gelohnt:
Eigentlich hätte man schon sehr zufrieden sein können! Eine einzige Ost-Art fehlte jedoch noch. Bei der letztjährigen Exkursion in den Osten hat uns diese Art auch sehr hängen lassen - somit immernoch ein Lifer: die Sperbergrasmücke.
Dieses Jahr waren wir so dermaßen motiviert - es musste einfach sein. Also nocheinmal einen Rundweg durch die Heide gewählt, diesmal durch ein dichter mit Sträuchern bewachsenes Gebiet. Da sich die Sperbergrasmücke, die die größte Grasmückenart überhaupt ist den Lebensraum mit Neuntötern teilt waren wir sehr zuversichtlich, als wir wieder die vielen Neuntöter ausmachen konnten. Doch von der Grasmücke mit den hellen Augen nach wie vor nichts zu sehen. Kaum wollten wir uns schon depremiert auf dem Rückweg machen flog plötzlich ein kleiner Singvogel ins Dickicht und verschwand darin. Kann es denn möglich gewesen sein?
Und plötzlich der davor eingeprägte Gesang! Ja! Sperbergrasmücke! Lifer! Läuft!
Rietzer seen
Nördlich des Ortes Kloster Lehnin, in dem sich auch unser Hotel befunden hat liegt der Seenkomplex der Rietzer Seen. Dieses Seengebiet mit vielen über Kanäle verbundenen Seen besitzt weit ausgedehnte Schilfgürtel und ist somit für Wasservögel, Limikolen und an das Leben im Schilf angepasste Vögel ein wahres Paradies.
Von Kloster Lehnin aus kommend befindet sich auch wieder ein toller Beobachtungsturm im Süden der Seen. Von hier aus hat man einen tollen Überblick über den südlichen See.
Auf dem See tummelten sich viele Entenarten wie Stock-, Tafel-, Reiher-, Schell- oder Schnatterenten. Zwischen den zahlreichen Graugänsen war auch eine Blässgans, außerdem waren Brandgänse auf dem See. Als Limikolen waren jedoch nur Kiebitze und Rotschenkel auszumachen, die auch in diesem Gebiet brüten. Zu den Haubentauchern und Schwarzhalstauchern gesellten sich auch einige Rothalstaucher, auch eine eher ostdeutsche Art.
Direkt neben dem Turm hielt sich eine Gruppe Rauchschwalben auf, aus einer offenen Luke des Beobachtungsturmes war es ein Leichtes, diese schön fotografieren zu können.
Über dem See kamen immer wieder größere Gruppen Kraniche, um auf den ausgedehnten Wiesen zu rasten und Nahrung zu suchen. Auch diese schönen Vögel sind im Osten weitaus einfacher zu beobachten als im Süden des Landes. Wir beschlossen jedoch noch eine Runde um den See zu laufen. Kaum vom Turm herunter in Richtung des ausgedehten Schilfgürtels losgelaufen segelt schon ein Fischadler knapp über unsere Köpfe hinweg.
Aus dem Schilf, dass uns jetzt in jede Richtung weit umgeben hat waren alle Rohrsängerarten zu hören: Teich-, Sumpf-, Schilf- und Drosselrohrsänger ließen uns gut Ihre verschiedenen Gesänge studieren. Außerdem war das rhythmische Zirpen von Rohrschwirlen zu hören und das Schimpfen der Rohrammern. Insgeheim hofften wir, in diesem ausgedehten Schilfwald noch die eine oder andere Bartmeise ausmachen zu können, schließlich hat sie hier zum Brüten beinahe Optimalvoraussetzungen!
Und schon bald sollte unsere Suche belohnt werden - endlich konnte ich diesen schwierig zu fotografierenden Vogel halbwegs gut ablichten:
Im "Vögel beobachten ..." Buch ist an den Rietzer Seen noch ein weiterer Aussichtsturm beschreiben, der nördlich des Hauptsees liegt. Von diesem Turm möchte ich an dieser Stelle jedoch abraten. Zum einen befindet sich dieser Turm viele, viele hundert Meter vom eigentlichen Seeufer entfernt mitten in einer Agrarlandschaft. Dadurch ist der See so gut wie gar nicht einsehbar.
Zum anderen ist der Turm ein sehr hoher und mit steiler Leiter versehener "Aussichtsposten", der vor allem mit Ausrüstung wie Rucksack und Spektiv sehr schwierig zu besteigen ist. Und das Gebiet, das man von da oben überblicken kann hält sich sehr in Grenzen - so, dass man sich den mühseligen "Aufstieg" besser sparen kann.
artenlisten
Die alphabetisch sortierten Artenlisten der drei Beobachtungsgebiete
Beltziger Landschaftswiesen
- Amsel
- Bachstelze
- Baumpieper
- Bluthänfling
- Braunkehlchen
- Dorngrasmücke
- Drosselrohrsänger
- Fasan
- Feldlerche
- Feldschwirl
- Gelbspötter
- Goldammer
- Grauammer
- Großtrappe
- Kolkrabe
- Kranich
- Kuckuck
- Mauersegler
- Mäusebussard
- Mönchsgrasmücke
- Nachtigall
- Nebelkrähe
- Neuntöter
- Ortolan
- Pirol
- Rauchschwalbe
- Rohrweihe
- Rotmilan
- Schafstelte
- Stieglitz
- Teichrohrsänger
- Turmfalke
- Wacholderdrossel
- Weißstorch
- Wendehals
Döberitzer Heide
- Fitis
- Gartenrotschwanz
- Girlitz
- Goldammer
- Grauammer
- Habicht
- Hausrotschwanz
- Haussperling
- Heidelerche
- Kleinspecht
- Kohlmeise
- Kolkrabe
- Kuckuck
- Mauersegler
- Mäusebussard
- Nebelkrähe
- Neuntöter
- Pirol
- Rauchschwalbe
- Ringeltaube
- Schwarzkehlchen
- Seeadler
- Sperbergrasmücke
- Star
- Steinschmätzer
- Stieglitz
- Wiedehopf
Rietzer Seen
- Bartmeise
- Blässgans
- Brandgans
- Drosselrohrsänger
- Fischadler
- Gartengrasmücke
- Gelbspötter
- Graugans
- Grünfink
- Haubentaucher
- Höckerschwan
- Kernbeisser
- Kiebitz
- Knäckente
- Kolkrabe
- Kormoran
- Kranich
- Kuckuck
- Löffelente
- Nachtigall
- Nebelkrähe
- Rauchschwalbe
- Reiherente
- Rohrammer
- Rothalstaucher
- Rotschenkel
- Schellente
- Schilfrohrsänger
- Schnatterente
- Schwarzhalstaucher
- Silberreiher
- Steinschmätzer
- Stockente
- Sumpfrohrsänger
- Teichrohrsänger
- Wasserralle
Alles in allem ein sehr, sehr lohnender Ausflug nach Brandenburg mit drei "richtigen" Lifern:
- Großtrappe
- Sperbergrasmücke
- Bartmeise
Darüber hinaus natürlich noch die Deutschland-Premiere des Wiedehopfs -
Nach guter, alter Birder-Tradition muss für jeden gesehenen Lifer ein Lifer-Schnaps getrunken werden. Wie gut, dass unser Hotel Markgraf & Restaurant Korbbogen eine gut sortierte Auswahl an österreichischen Bränden hatte :)
Kommentar schreiben
Peter Schubert (Donnerstag, 18 Oktober 2018 15:25)
Ihr Hinweis auf die vielen ungenutzten Landstriche bei uns "im Osten" hat mich sehr überrascht. Wo haben Sie selbige (außerhalb ehemaliger TÜP) gefunden?
Mit besten Grüßen aus Freienthal
Peter Schubert