Die spontanen Ideen sind oft die Besten! Da das Murnauer Moos mit all seinen Birding-Verheißungen schon lange auf unserer Liste stand haben wir mehr oder weniger spontan beschlossen, einen Tagesausflug dort hin zu machen.
Von Erlangen aus sind es ca. 260 km einfacher Weg, somit war frühes Aufstehen angesagt. Nach gemütlichen drei Stunden auf der Autobahn waren wir um 11 Uhr in Murnau, kurz darauf auf dem Wandererparkplatz am Rand des Moorgebietes.
Es war ein sonnig-heißer Tag mit Temperaturen weit über 27 Grad, als wir leicht übermotiviert zu unserer Wanderung aufgebrochen sind. Dabei folgten wir immer den Vorgaben des Buches "Vögel beobachen in Süddeutschland" von Christoph Moning.
Wie allgemein bekannt ist die Mittagshitze nicht unbedingt die beste Zeit, um zum Birden zu gehen. An dieser Stelle hielt die Übermotivation noch deutlich an, auch der Wunsch, nach drei Stunden Autofahrt endlich einen Vogel zu sehen. Wie im Buch beschrieben bogen wir also auf den Wanderweg durchs Murnauer Moos ein und lauschten erst mal an der ersten Stelle den Rufen des Karmingimpels.
Und tatsächlich hatten wir Glück: schon bald konnten wir den ersten markanten Ruf eines Karmingimpels hören! Leider war dieser auf keinem der Büsche oder einer anderen Sitzwarte zu sehen. Und nach einem Ruf war es das auch fürs Erste.
Also weiter zur "großen Runde": zu Beginn der Runde gibt es eine kleine Baumgruppe - und natürlich waren wir auf der Suche nach Weißrückenspechten. Der erste Specht, der uns vor die Linse kam war jedoch ein junger Buntspecht im ersten Federkleid. Anfänglich haben wir ihn für einen Mittelspecht gehalten, hatte er doch eine große, rote Kopfplatte und eine feine Strichelung an den Flanken.
Doch der Blick ins Buch bestätigte, dass junge Buntsprechte neben der roten Kopfplatte auch noch eine schwache Strichelung an den Flanken aufweisen.
Neben den Buntspechten waren auch relativ viele Sumpfmeisen in den Bäumen unterwegs. Selbstverständlich wie zu dieser Jahreszeit üblich lag der Gesang der beiden Laubsängerarten Zilpzalp und Fitis überall in der Luft.
In der Thermik der Mittagssonne schraubte sich ein Mäusebussard über dem Moor in die Höhe. Nun war es fast genau Mittag und die schattigen Plätze wurden immer weniger. Der Weg folgt zwar ständig dem Bachlauf der Ramsach, die Bäume und Büsche werden aber bald knapp.
Immer wieder gibt es kleine Brücken, über die man in ausgedehnte Schilfgebiete am anderen Bachufer übersteigen kann. Von hier aus waren immer wieder Rohrammern zu sehen und zu hören.
An einem kleinen Schilfstreifen waren bald aufgeregte Spatzenlaute zu hören. Da die Rufe sehr schnell vorgetragen waren und immer wieder auch Meisen zu hören waren war schnell klar, dass hier ein Sumpfrohrsänger ganz ausgezeichnet andere Vögel imitiert.
13 Uhr, die Sonne brennt, es wird immer heißer und wir verlassen das Gebiet, in dem es wenigstens noch etwas Baumbestand gab. Somit ist auch die letzte Chance auf Schatten dahin. In der Ferne waren immer wieder Braunkehlchen zu sehen, die im Prachtkleid auf einzelnen Halmen ihren Gesang vorgetragen haben.
Neben den Braunkehlchen waren auf so gut wie jedem Baum auch Baumpieper zu sehen und vor allem zu hören.
Zusammen mit Wiesenpiepern lieferten sie den Hintergrundsound zu unserer Wanderung.
Auf einzelnen Büschen tauchten immer zu Neuntöter auf, auch kamen hier und da Stieglitze übergeflogen.
An dieser Stelle drehte der Weg von der großen offenen Fläche nach Norden Richtung Wald. An dieser Stelle sollte man laut Vogel-Wanderführer die Augen nach Schlangenadlern offen halten, da sie in dieser Gegend immer mal wieder in den Bäumen gesehen worden sind.
Dieses Glück hatten wir leider nicht. Obwohl der Weg nun etwas anstieg war es doch mal eine willkommene Abwechslung, durch ein Waldgebiet zu wandern. Auch hier war die Wahrscheinlichkeit groß, auf Weißrückenspechte und Tannenhäher zu treffen - zwei Arten, die ganz oben auf der Listen standen. Leider hatten wir dieses Glück nicht. Lediglich ein Sperber kreuzte unseren Weg.
Der Punkt zum Umdrehen und den gleichen Weg zurück zum Ausgangspunkt zu gehen war an dieser Stelle überschritten. Es war ca. 14.30 Uhr, die Sonne stand noch immer noch am Himmel und der Weg zurück war uns aufgrund des fehlenden Schattens noch immer die schlechtere Wahl. Also versuchten wir, dem Wanderweg durch das "Filz", wie der Moorwald hier genannt wird zu folgen, bis wir in die Ortschaft Westried kommen. Hier haben wir gehofft, dass es eine Wirschaft, ein Gasthaus, einen Biergarten oder wenigstens einen laufenden Gartenschlauch gibt - denn ich muss zugeben unsere Wasserreserven waren am schwinden.
Schnell man auf Google Maps nachschauen, wo die nächste Einkehrmöglichkeit wäre ging nicht - Murnau liegt im tiefsten Oberbayern, dem Gebiet, in dem bestenfalls Edge das Handynetz liefert.
Also nicht jammern und weiter!
In Westried kam dann bald die Ernüchterung: kein Biergarten, der auf uns wartet, keine Wirtschaft, die kühles Spezi anbietet. Generell wirkte der Ort etwas ausgestorben.
Es half alles nichts, in dem Ort sagt der Fuchs zum Hasen "Gute Nacht". Vielleicht war es auch so ruhig weil es Frohnleichnam war und alle zur Prozession waren? 15.30 Uhr, das Wasser ausgegangen, kein Karmingimpel und die Stimmung am kippen. Also suchten wir die einzige Bushaltestelle und/oder den Bahnhof auf. Plan war, dass wir mit dem Zug zurück nach Murnau fahren und dort vielleicht etwas zu uns nehmen könnten. Doch auch hier "An Sonn- und Feiertagen keine Zugverbindung". Warum denn auch!?
Also haben wir beschlossen, den ganzen Weg am oberen Hang zurück zum Ausgangspunkt zu laufen - es blieb uns auch nichts anderes übrig.
Wenigstens wurden wir stellenweise doch noch mit einem tollen Panorama belohnt.
Quasi "auf dem Zahnfleisch" erreichten wir den Ausgangspunkt unserer Wanderung, den Parkplatz bei der Gaststätte "Ähndl". Der "Leidensweg" mit seinen 12,5 km lässt sich übrigens in vielen Wanderführern, auch Online finden.
In der Gaststätte angekommen legten wir erst mal eine lange, lange Rast ein und füllten unseren arg geschundenen Flüssigkeitshaushalt wieder auf.
Nach vielen Spezis und Weißbieren, die so gut geschmeckt haben wie noch nie ging es uns endlich etwas besser. Somit beschlossen wir, noch zum Essen zu bleiben. Die Gaststätte Ähndl ist wirklich sehr zu empfehlen, wir wurden kulinarisch schon arg verwöhnt.
Hier ließen wir auch den Tag langsam ausklingen und sammelten neue Kräfte. Jetzt, nach dem die erste Euphorie (oder der Übermut?) verflogen ist wurden wir auch vernünftiger. Wir warteten, bis es Abend wurde, überbrücken die Zeit mit Spezi, Apfelsaftschorle und Eis und beschlossen, in den ersten Abendstunden noch einen kleinen Teil des Weges abzulaufen.
Mit neuen Kräften starteten wir also wieder von vorne. Am Ausgangspunkt der Wanderung sahen wir von weitem eine Limikole anfliegen und im hohen Gras landen. Aufgrund der insgesamt dunklen Erscheinung und dem hellen Schwanz konnten wir sie als Waldwasserläufer identifizieren. Schon bald begleiteten uns auf dem Weg unzählige Gartengrasmücken. Tatsächlich war auf jedem Baum und jedem Busch mindestens eine Grasmücke zu sehen oder hören. Während wir von weiter weg auch dem Gesang von mindestens zwei Feldlerchen lauschen konnten, hörten wir plötzlich den markanten Ruf des Karmingimpels.
Ich war sehr froh, dass sich der kleine rote Vogel sehr fotogen verhalten hat und sich lange in guter Fotoentfernung hat ablichten lassen. Somit war quasi das Soll erfüllt und die Reise ein voller Erfolg! Alles, was jetzt noch kommen sollte war quasi die "Kür" - auch wenn ich noch ein wenig auf den Wachtelkönig gehofft hatte.
Als erstes war ein kleiner Trupp Schwanzmeisen unterwegs, auch Jungvögel waren dabei.
Neben den noch immer singenden Braunkehlchen haben sich jetzt auch Schwarzkehlchen mit ins Konzert gemischt, wenn auch gleich ihr Gesang bei der Konkurrenz etwas untergegangen ist. Im dichten Gebüsch, welches im Schilf stand war neben den immer wieder singenden Rohrammer-Männchen plötzlich ein sehr aufgeregter, variantenreicher Gesang zu hören: ein Gelbspötter!
Jetzt war es auch traurige Gewissheit, dass die Mittagszeit zum Birden nur wenig taugt. Irgendwie hätten wir uns auch gemütlich Zeit lassen können und am frühen Nachmittag los fahren können - auch dann hätten wir nichts außer der Mittagshitze verpasst. Aber daran wollte keiner denken.
In den Bäumen turnten zwei Kleinspechte durch die Äste, auch nicht allzu häufig zu sehen.
Auf dem Weg zurück zum Parkplatz, immer am Bach entlang konnten wir noch einen uns aus Island wohl vertrauten "Gesang" hören. Ein seltsames "kä-ätsch, kä-ätsch, kä-ätsch..." - eine Bekassine saß im Schlick am Ufer des Bachlaufs.
Leider war der Abend noch nicht fortgeschritten genug, um den Wachtelkönig zu hören, auch war von Berglaubsängern, Weißrückenspechten und Tannenhähern keine Spur - aber alleine der Karmingimpel entschädigt dafür. Und die Gewissheit, dass man auch einfach mal spontan 250 km "runterreißen" kann, um in ein tolles Beobachtungsgebiet zu kommen!
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Gaby (Montag, 04 September 2017 13:46)
Hi Lukas,
Dein ausführlicher Bericht erinnert mich an meinen sponaten Besuch im Moos eine starke Woche vorher. Da ich etwas näher dran bin als Ihr, war ich schon um halb sieben in der Früh vor Ort. Das hat sich gelohnt, da es ein wolkenloser Tag war, die Temperaturen noch angenehm und die Wege leer. Was man von der Umgebung nicht sagen konnte: gefühlt aus jedem Strauch trällerte ein Vogel. Selbst Crex crex ließ sich ab und an vernehmen, ungewöhnlich so am helllichten Tag. Am meisten beeindruckt hat mich der Sumpfrohrsänger, den ich vom Weg aus bestens filmen konnte (hir die Kurzversion: https://www.youtube.com/watch?v=YsVZfAKb00g). Auch nach fast 10 Minuten war er nocht nicht zu bremsen. Da mir allerdings die Sonne in den Nacken brannte, wechselte ich zum nächsten Schattenplätzchen. Vor lauter Stehenbleiben, Vögelgucken und Filmen (und mit dem einen oder anderen Vogelgucker und/oder Fotografen ratschend) schaffte ich in acht Stunden gerade mal 4 Kilometer und den Rückweg... Respekt vor Eurem Durchhaltevermögen - bei der Hitze eine echte Leistung! Gruß Gaby